Vom syrischen Bürgerkrieg erfuhren 90 Zehntklässler der Bischöflichen Realschule in zwei Schulstunden Beklemmendes aus erster Hand: Der 26-jährige Hamed Alhamed war auf Einladung der Religionsfachkonferenz zu Gast und berichtete mit eindrücklichen Bildern und Videos von seinem Heimatland und seiner Flucht nach Deutschland.

Seit 2011 tobt in Syrien der Bürgerkrieg, der medial in unsere Wohnzimmer kommt, anrührt, aber doch schon wieder fast zur Gewohnheit wird. Durch die Biografie Alhameds wird das Grauen personalisiert, es wird für die nur zehn Jahre jüngeren Schüler direkt greifbar und erlebbar.

Dabei beginnt Alhamed seinen Bericht mit einer Liebeserklärung an sein Land und seine Heimatstadt Deir Ezzor, eine Millionenstadt im Osten Syriens. Zwischen Euphrat und Tigris gibt es uralte Traditionen und Weltkulturerbestätten, bis 2011 leben Muslime, Christen und andere Religionen tolerant miteinander, es gibt eine blühende Wirtschaft, gute Infrastruktur und Bildung für alle mit Schulpflicht und Lehrmittelfreiheit. „Wir hatten alles, aber keine Demokratie!“, stellt Alhamed fest und berichtet von großen Demonstrationen ab 2011 in Syrien, gegen die das Assad-Regime mit großer Brutalität vorgeht.

Seit der Zeit beginnt das Grauen für viele der 25 Millionen Syrer mit willkürlichen Internierungen, Folter, Vergewaltigungen und zunehmenden Bombenangriffen gegen die Zivilbevölkerung. „Wir hatten große Angst“, berichtet Alhamed, „man weiß nicht, von wem die Bomben kommen, ob vom Assad-Regime, von der Al-Nusra-Front oder vom IS.“ Millionen sind auf der Flucht, zehntausende Menschen sterben. „Dazu die Isolation, weil kein Strom da ist und kein Handyempfang“, schildert Alhamed, wie es für ihn und seine Familie mit insgesamt sechs Geschwistern immer schlimmer wird. Drei Jahre harrt er aus, dann entschließt er sich mit seinem Bruder zur Flucht. Als ob die Bilder von zerstörten Stadtteilen, von Bombenangriffen und Giftgasopfern nicht schon genug Grund für seine Flucht sind, zeigt er ein Bild mit sechs jungen Männern. „Das waren meine besten Freunde“, sagt er leise, „jetzt sind alle tot.“ – Bei Angriffen umgekommen, erschossen oder einfach verschleppt.

Alhamed schafft es, über die Türkei und den Balkan nach Deutschland zu fliehen. Jetzt wohnt er seit drei Jahren in einem Flüchtlingswohnheim in Ennigerloh. Nach dem anfänglich gefühlten Glück, es geschafft zu haben, sieht er jetzt auch einige Probleme: „Der Alltag ist schwierig; es gibt eine Wohnsitzauflage, kein Familiennachzug, viel Bürokratie und keine Anerkennung syrischer Abschlüsse.“ Zu Hause war er ausgebildeter Mediengestalter und Lehrer, hier muss er ganz von vorne anfangen. Aber er hat intensiv Deutsch gelernt, bestreitet die anderthalb Stunden ohne Dolmetscher und ist auch in der Lage, auf die Fragen der Zehntklässler einzugehen. „Dabei ist Deutsch schwierig“, lacht er, „im Arabischen und Englischen gibt es einen Artikel, im Deutschen drei!“ Mittlerweile könnte er endlich anfangen, eine Berufsausbildung zu machen, denn er ist seit kurzem als Asylbewerber anerkannt. Das Warten und die Ungewissheit vorher seien nicht leicht gewesen, sagt er: „Dadurch gab es auch oft Langeweile im Heim.“

Alhamed schließt mit einem Appell für mehr Integration und Toleranz gegenüber den Flüchtlingen. Die Zehntklässler danken es ihm mit einem herzlichen und lang anhaltenden Applaus und machen damit klar, wie sehr sein Schicksal und sein Anliegen sie berührt hat.