„Jeder von euch ist ein potenzielles Opfer!“ Stadtjugendpfleger Dirk Ackermann bewirkte bei einem Elternabend zum Thema Mobbing mit direkter Ansprache mehrfach tiefe Betroffenheit. Rund 100 Eltern waren der Einladung der Bischöflichen Realschule und der Katholischen Elternschaft Deutschlands im Bistum Münster in die Aula der Schule gefolgt.

Der Sozialpädagoge Ackermann ist Stadtjugendpfleger der Stadt Sassenberg und war selbst einmal Schüler der BRS. Heute ist ein Schwerpunkt seiner Arbeit das Thema Mobbing: „Ich mache Intervention, weniger Prävention. Ich komme also dann in die Schulen, wenn’s brennt“, beschreibt er selbst seine Arbeit. Und offensichtlich brennt es häufig, denn Mobbing sei ein Problem in fast allen Klassen.

Dann legt Ackermann los: In einem Ein-Personen-Theaterstück nimmt er die Eltern mit auf einen langen Monolog eines Achtklässlers, der neu in eine Klasse kommt. „Die erste Stunde“ heißt dieses Stück voller Provokation und Zumutung für die Zuschauer. Erst gibt der neue Schüler seiner Klasse fünf Minuten Zeit zum Beschimpfen, Schlagen, Erniedrigen, dann dreht er den Spieß um, will nicht mehr Verlierer sein und versucht die Klasse unter Druck zu setzen. Aber diese Stärke hält er nicht durch und brüllt in die Klasse: „Wer von euch ist bisher das Opfer? Wer freut sich noch mehr auf mich als die, die auf mir rumtreten werden, damit ich ihn als Opfer ablöse?“ Und der Neue wird Opfer, er wird für 18 Stunden eingesperrt in einen fensterlosen Kartenraum und ist gezwungen, seinen eigenen Urin aus einem Papierkorb zu trinken. Das Stück gipfelt darin, dass der Schüler am Ende eine Waffe zieht und sie sich selbst in den Mund hält.

Ackermann bewirkt Empathie und Betroffenheit bei den Zuschauern und genau das ist es, worauf er hinauswill: „Wir Menschen werden angetrieben durch Wut, Trauer, Angst, Leidenschaft und Liebe. Diese Gefühlsebene ist es, mit denen man Menschen erreichen kann.“

Genauso versucht er es auch in seiner Arbeit mit Schülern. Ackermann will die Schüler packen bei ihrem Mitgefühl und ihrer Verantwortung gegenüber anderen. „Das ist notwendig“, sagt er, „denn Mobbing findet nie auf Augenhöhe statt. Ziel von Mobbing ist es immer, andere fertig zu machen!“ Sein Hauptaugenmerk legt Ackermann in seiner Arbeit dabei auf die 60 bis 70% der schweigenden Masse einer Klasse, die aus Angst, Desinteresse oder wegen des Unterhaltungswerts nicht gegen das Mobbing vorgeht. „Der Schlüssel sind nicht die Opfer oder die Mobber, sondern die Mitte“, ist Ackermann überzeugt: „Die will ich aktivieren, Grenzen zu setzen und Stellung zu beziehen!“ Er arbeitet nicht mit Schuldzuweisungen gegenüber den Mobbern, sondern fordert Aktivität von den Schülern ein: „Du bist Teil der Klasse, du trägst Verantwortung für die anderen.“ Erschwerend sei allerdings in den letzten Jahren die Verwendung des Smartphones hinzugekommen. Drastisch formuliert Ackermann die Perspektive eines Opfers: „Ich bin zusammengeschlagen worden, liege auf dem Boden, bin ohnmächtig, die halbe Welt weiß es bereits, nur ich nicht!“

Schule und Elternhaus sollten mit einer Pädagogik der Anerkennung dem entgegenwirken: „Motivieren Sie Ihre Kinder, aufzustehen, Mut zu haben und sich zu solidarisieren!“, wünscht sich Ackermann. Leider sei es häufig genug anders, denn Jugendliche würden auch Negatives von ihren Eltern lernen: „Wer zu Hause über Missstände oder Randgruppen ausfallend schimpft, muss sich nicht wundern, wenn die Kinder das übernehmen.“

Unter dem Applaus der Zuhörer danken Schulleiter Jens Dunkel und Marie-Theres Kastner von der Katholischen Elternschaft dem engagierten Sozialpädagogen für einen aufschlussreichen Abend.